Alle Artikel in: Alltagsdinge

Der müde volle Alltag nach den Sommerferien

Der erste Schultag nach den Sommerferien. Eine Bekannte sagte zu mir: „Ich fühle mich dieses Jahr am Ende des Urlaubs so, wie in den früheren Jahren, wenn ich in den Urlaub gefahren bin: Urlaubsreif. Müde und erschöpft.“   Hat uns die Pandemie, der Ukraine Krieg mit seinen Schreckenswörtern wie Inflation und Energiekrise so viel abverlangt, dass wir nun an einer gemeinschaftlichen posttraumatischen Erschöpfung leiden? Führende Psychologen bejahen das. Sie sagen, wir hätten als Gesellschaft Erholung und Sicherheit gebraucht, statt fortwährende Krisen, neue Gesetze und ständige Unsicherheiten. Aber selbst wenn das irgendwie möglich gewesen wäre, diese zu vermeiden oder anders zu kommunizieren: Können wir denn die ständigen Klimakatastrophen ignorieren? Waldbrände, Zerstörungen, Tropenstürme, Regenmassen. Und das auch in Europa? Mir geht es nicht um eine Diskussion, ob es eine Klimaerwärmung gibt und woher sie kommt. Mir liegen die einzelnen Menschen und ihre Schicksale am Herzen. Die Lebenskrisen derer, die alles verlieren. Wie soll unsere und die nächste Generation das Aufarbeiten und die innere Kraft finden, um immer wieder neu anzufangen? Unsere Großeltern erlebten Kriegszeiten, sie bauten Städte …

Obligation

Bevor unsere Familie in den dreiwöchigen Sommerurlaub aufbrach, mischte sich in meinem Herzen Vorfreude mit Besorgnis. Das Mischungsverhältnis fiel blöderweise sehr eindeutig zu Gunsten der Besorgnis aus. „Drei Wochen!“, zauderte ich einer lieben Freundin in die Sprachnachricht. „Drei Wochen irgendwo im Nirgendwo, hoch oben in den italienischen Alpen. In einem Dorf, in das man noch nicht mal mit dem Auto fahren kann- so weit oben! Mit drei Teenagern!!! Einer davon wird seine Freundin vermissen und das Meer. Eine will hochleistungswandern. Zu siebt in der Wildnis- das ist doch verrückt!“ Die Freundin zitierte den schottischen Großvater ihrer Kinder, der nach einem Campingurlaub mit fünf Kindern zu seiner entnervten Frau gesagt haben soll: „family holidays are an obligation!“ Sie fände das sehr entlastend. Familienurlaub sei nicht unbedingt Erholung, aber auf jeden Fall eine Erfahrung, die man einander zumuten müsse. Aha, sehr tröstlich. Andererseits stimmt es natürlich. Wir muten uns einander zu, ganz ohne Alltagsstützkorsett, lernen uns wieder neu kennen, lernen neu Kompromisse zu schließen (ja, auch Eltern, denn Teenagern sollte man besser nicht den eigenen Urlaubsvorstellungen unterwerfen, …

Das knarzende Leben und Lavendelduft

Ich sitze am offenen Fenster an einem alten Holztisch, trinke lauwarmen Kaffee und starre in die Lavendelbüsche, die der belgische Vermieter vor sein französisches Ferienhaus gepflanzt hat. Könnte es denn noch idyllischer sein? Es könnte, wenn mein Kopf sich nicht die ganze Zeit um schwere Gedanken kreisen würde, die mir auch im Urlaub keine Ruhe lassen. Trennungen im Freundeskreis, Herausforderungen in der erweiterten Familie, meine aktuellen Buchprojekte und viel zu viele Deadlines und eine endlos lange To-do Liste, auf die ich nicht mal einen Blick werfen möchte. Die Pandemie hat mich gelehrt, im Moment zu leben und keine weit vorausschauenden Pläne zu machen. Sie hat mir gezeigt, dass ich das Heute leben und all das kleine Glück genießen kann. Und das tue ich und genau das rettet mich durch die Stürme des Lebens, die in großen Krisen weltweit und in kleinen Krisen in meinem Umfeld sich anstauen und die ich nicht mehr gut verarbeiten kann. Weil es schlichtweg zu viele sind. Normalerweise tanke ich auf im Urlaub. Ich lese. Ich pumpe Wissen, gutes Essen, Ruhe …

Immer besser scheitern

  Mein neues Buch ist da. Und mit ihm die zweite Staffel meines Podcasts bei ERF Jess. Ich spreche mit verschiedenen Menschen über ihr Scheitern. Als Ehepaar, als Eltern, im Beruf, mit Krankheit und noch vielem mehr. Ich mache das, weil ich der Überzeugung bin, dass es wichtig ist, über Versagen und Fehler zu sprechen. Wir lernen sowohl aus unseren eigenen, als auch aus den Fehlern anderer. Keiner von uns lebt ein Leben nur im Sonnenschein, sondern wir alle haben Schatten, die zu uns gehören und genauso erleben wir auch Schattenseiten in unserem Leben. Doch wenn nie jemand darüber spricht, könnten wir meinen, wir wären alleine mit unserem Erleben. Wir versagen und scheitern alle. Manche offensichtlicher als andere. Aber die Scham darüber, der Schmerz und das manchmal unvermeidbare Loslassen von Träumen verbindet uns alle. Ich schreibe in diesem Buch darüber, wie man mit Misserfolgen umgehen kann, was Scham mit Mut zu tun hat, was man vom Scheitern lernen kann. Und warum ich glaube, dass Gott Imperfektion liebt. Das ganze Interview zum Buch findet ihr hier. …

Mohnblumenrot

Hin und wieder wählt das Leben eine härtere Gangart und schmeißt dir unvermittelt ein paar Knüppel zwischen die Beine. So ergeht es wohl jedem dann und wann und so erging es auch mir in den letzten Monaten. Ich war müde, erschöpft und in Trauer um einen lieben Menschen und um die Zeit, die wir miteinander hatten. Und um die, die wir nicht mehr miteinander haben würden.   Rote Lichtpunkte An einem Samstagvormittag, der ziemlich genau auf den Tiefpunkt meiner persönlichen Verfassung fiel, fuhr ich mit einigen Freundinnen in eine wunderschöne Gärtnerei, die nicht nur allerlei aus der Kategorie “nutzlos, aber formschön” und leckeres Frühstück verkauft, sondern vor allem auch die herrlichsten Pflanzen. Ein zauberhafter Ort. Wir frühstückten ausgiebig und dann entschloss ich mich zum Kauf einer großen Mohnpflanze. Ich liebe Klatschmohn, denn er tüpfelt nicht nur Wiesen und Wegränder rot, sondern macht dir auch unversehens gute Laune. Zu Hause pflanzten wir den Mohn ins Beet, ein außerordentlich prächtiges Exemplar, und dann wartete ich. Schließlich musste ich eines frühen Morgens einen lauten spitzen Schrei des Entzückens …

Ich sabotiere mich selbst

Ich prokrastiniere. Ich schiebe auf. Aber nur bestimmte Aufgaben. Eigentlich nur das, wovon ich mich überfordert fühle oder Dinge, bei denen ich Angst habe, etwas falsch zu machen und zu scheitern. Es nervt im Alltag. Ja, natürlich bin ich dann schneller, effektiver, wenn die Zeit wegrennt und ich mich dann wirklich beeilen muss. Aber dadurch steigt auch der Stresspegel extrem und auf Dauer ist das ungesund. Ich sabotiere mich quasi selbst.     Wie können wir das überwinden? Die Ideen stammen aus der Zeitschrift Psychologie heute Compact. Nr 72/2023   Formen der Selbstsabotage 1.       Steine in den Weg legen Manchmal verhalten wir uns erstaunlich unklug, legen uns selbst Steine in den Weg und behindern uns damit selbst. Wir stehen uns mit unserem selbst sabotierenden Verhalten selbst im Weg. Die Frage ist, warum wir uns in bestimmten Situationen so selbstschädigend verhalten. In meinem Fall ist es immer dann, wenn ich Sorge habe, etwas nicht gewachsen zu sein.   Es gibt verschiedene und unterschiedliche Selbstsabotagemechanismen. Meistens geht es bei diesen Situationen um etwas von Bedeutung. Man muss …

Was mein fehlendes Vertrauen mit meiner Glaubensenge zu tun hatte

Ich hatte vier herausfordernde Wochen. Der Tod meiner Freundin, über den ich bis heute nicht sprechen oder denken kann, ohne weinen zu müssen. Dann eine Buchabgabe, die ich strecken musste und weil ich dann in Zeitnot kam, immer nachts geschrieben habe. Und direkt 2 Tage nach Abgabe, Corona. Wie das so ist, wenn der Körper sich ausruhen möchte. Nur, dass wir eine Woche später Konfirmation feiern wollten von unserer großen Tochter. Ich isolierte mich, tatsächlich und glücklicherweise steckte sich niemand an. Über meinem Jahr 2023 stehen zwei Worte, die ich mir für das Jahr gesucht hatte. „Loslassen“ und „Zulassen“. Ich neige dazu, gern über alles die vermeintliche Kontrolle haben zu wollen. Ich denke mir ständig alle möglichen Szenarien aus, plane alles im Voraus und habe Angst vor möglichen Worst-Case-Szenarien, statt das Leben auch mal geschehen zu lassen. Statt mich voller Vertrauen fallen zu lassen, mit dem Wissen, dass ich für alles was geschehen wird, das nötige Rüstzeug in mir trage. Und wahrscheinlich lag genau darin das Problem: Ich musste erst lernen, mir zu vertrauen. Ich …

Leben im Hier und Jetzt

„Ich kann nicht mehr warten, Mama!“, sagt meine Tochter zu mir und meint damit: Ich möchte JETZT mit dir spielen Mama, in diesem Augenblick und nicht erst in 1,2, oder gar 5 Minuten. „Wann bist du endlich da, Mama?“, fragt sie weiter und meint damit: Wann bist du hier bei mir und wirklich für mich da? Nicht nur körperlich im selben Raum, sondern auch gedanklich anwesend? Ganz im jetzigen Augenblick und nicht schon wieder bei gestern oder morgen? Ja, wann? Und wie? Ein Text mit vielen Fragen und einigen Antwortversuchen… Wirklich da sein, im Hier und Jetzt leben, den Augenblick achtsam wahrnehmen, mit allen Sinnen erleben und genießen – eine große Herausforderung. Oft ertappe ich mich, wie ich gedanklich To-Do-Listen umsortiere, den Einkaufszettel im Kopf ergänze oder den nächsten Kindergeburtstag plane. Weil mein Alltag und mein Kopf übervoll sind und ich Angst habe, etwas zu vergessen oder zu verpassen – dabei verpasse ich gerade dann etwas. Nämlich das Leben, dass sich direkt im Hier und Jetzt vor meiner Nase abspielt. Das Leben, von dem ich …

Ein Stück heile Welt, bitte

Ich habe eine geheime Leidenschaft, von der bisher nur sehr wenige Menschen wissen. Sie ist mir ein wenig peinlich und lässt sich nur schwer mit meinen sonstigen Ansprüchen an Intellekt, Niveau und Tiefgang vereinbaren. Andererseits bin ich jetzt Mitte vierzig und denke mir immer öfter: Was soll´s. Das Leben ist zu kurz für falsche Scham. Ich stehe zu meinen Leidenschaften. Deshalb kann ich auch ohne weitere Schamesröte zugeben, dass ich seit vielen Jahren ein Faible für die bayrische Fernsehserie „Dahoam is Dahoam!“ hab. Ja, hmm, ich weiß. Aber für mich haben diese kleinen Geschichten, die in einem fiktiven bayrischen Dorfidyll spielen, etwas ungemein Tröstliches. Dort haben all einander gern, und falls nicht, dann dauert der Zank nie länger als ein zwei Folgen. Überhaupt werden alle Unwägbarkeiten des Lebens recht schnell in Ordnung gebracht und ansonsten geliebt, gesorgt und gefeiert. Ähnlich beruhigende und heilende Auswirkungen haben nur die „Gilmore girls“, aber für die musste man sich noch nie schämen. Beiden Serien gemeinsam ist, die Darstellung von Familien- und Dorfgemeinschaft, von lustigen und schrägen Begebenheiten, einfachen Lösungen, …

Gestern ist eine meiner Freundinnen gestorben

Gestern ist eine meiner Freundinnen gestorben. Einfach so ist sie morgens umgefallen und liegen geblieben. Den ganzen Tag nach dieser schockierenden Nachricht, dachte ich, ich hätte mich verhört. Es würde nicht stimmen.     Ich fragte meinen Mann: „Björn, hast du auch gehört, dass sie gestorben ist?“ Er sah mich liebevoll an, berührte mich leicht und sagte leise: „Ja, ich habe es auch gehört.“ Und mir schossen wieder die Tränen in die Augen. Es ist also wahr. 30 Jahre jung ist sie geworden und ist einfach von uns gegangen. Sie hinterlässt zwei Kinder, eines davon erst vier Wochen alt. Ich bereue all die Zeit, die ich nicht mit ihr verbracht habe. Immer wieder habe ich ein Treffen aufgeschoben, nie hat es in meinen vollen Kalender gepasst. Ich dachte immer, wir könnten das nachholen, wir hätten ja noch ausreichend Zeit. Auch ihr Geburtsgeschenk stand noch hier. Immer neben mir auf meinem Schreibtisch. Ich hatte es nicht geschafft, es einzupacken und wegzuschicken. Überlegte immer, ob ich es nicht doch schaffen würde, es persönlich bei ihr vorbei zu …