Ich sitze im Abschiedsgottesdienst der Pfarrerin Britta Taddiken der Thomaskirche in Leipzig, soll über sie eine Reportage schreiben. Es wird einer der bewegendsten Gottesdienste, die ich je erlebt habe. Und auch eine der besten Predigten, die ich je gehört habe. Als diese endet, springen 1000 Gottesdienstbesucher von ihren Sitzen auf und klatschen. Die Pfarrerin bekommt Standing Ovations. Und genauso gut war die Predigt tatsächlich. Genau das war angebracht. Die Zuhörer weinen vor Rührung und ihre Worte klingen so lange nach, dass ich einen Tag später, als ich mit ihr telefoniere, um mit ihr ein Interview zu führen, gar nicht anders kann, als mit ihr über Theologie zu sprechen.
Gute Theologie ist ihr wichtig. Sie geht in den vorzeitigen Ruhestand, weil sie eine aggressive Krebserkrankung hat. Ich traue mich und frage sie, was diese Tatsache mit ihrem Glauben macht, ob sie Gott nach dem „Warum“ gefragt hat. Ich höre sie ins Telefon lächeln, sie ist kurz still. Dann sagt sie mir, dass 85% der Menschen, die zu ihr in die Seelsorge kommen, diese Frage nach dem Warum stellen und sie jedes Mal zu ihnen sagt, dass diese Frage nichts bringt, weil sie keine Antwort bekommen werden darauf, auch von Gott nicht.
Gott und Wunderheilungen
Ich schweige kurz. Als ich meine Glaubensbiografie aufgeschrieben habe, stolperte der Programmleiter meines Verlags über meine theologische Haltung zum Thema „Krankheitsheilung“. Er sagte mir, Gott würde niemals Naturgesetze außer Kraft setzen, um Wunder zu vollbringen. Würde er nicht? Mein Glaube, der von Kindheitsbeinen an pfingstlich-fundam…