In der aktuellen Family gibt es einen Artikel über das Thema “Abtreibung”, an dem ich mitwirken durfte. Das Thema ist hochemotional und belastet. Sogar bei meinen Recherchen wurde ich angefeindet. Allein das Wort “Abtreibung” sollte ich nicht verwenden, sondern es als “Geburtsabbruch” bezeichnen. Die Frauen waren voller negativer Gefühle und haben mich beschimpft. Andere haben sich privat bei mir gemeldet und mir ihre Geschichten erzählt. Wir haben unterschiedliche Meinungen dazu und könnten darüber streiten wie die Kesselflicker. Vorab möchte ich sagen: Ich bin Theologin und angehende Pfarrerin. Das bedeutet, dass Leben für mich wertvoll und ein Gottesgeschenk ist und jeder Mensch, egal wie klein er sein mag, unfassbar wertvoll ist. Ich bin immer dafür, ein Kind zu behalten.
Gleichzeitig möchte ich, dass das Thema “Abtreibung” kein Tabu- Thema mehr ist. Moment. TABU- Thema? Reden wir nicht im 21. Jahrhundert ganz offen darüber? Nein. Wir mögen debattieren, wir mögen uns empören über eine Hillary Clinton, die Abtreibung per Gehirnabsaugung bis kurz vor der Geburt erlauben möchte. Wir mögen es entsetzlich finden, dass Präsident Trump am liebsten jegliche Abtreibung verbieten lassen möchte. Aber wir werden nicht persönlich bei dem Thema. Oder weißt du, ob deine Freundin nicht doch schon mal abgetrieben hat? Oftmals wird es verschwiegen. Wir tragen das mit uns herum, wir leiden im Stillen oder schämen uns, weil wir uns vielleicht nicht so schuldig fühlen, wie wir das vielleicht erwartungsgemäß sollten. Wir fürchten die Reaktion anderer, die Verurteilung der Menschen um uns herum. “Waaas? Du hast schon mal abgetrieben?” Ich bin mir sicher, dass keiner aus einer Abtreibungsklinik kommt und danach ein Eis essen geht. Ich bin mir sicher, dass diese Entscheidung etwas mit dir als Mensch macht. Sie prägt. Sie begleitet dich dein Leben lang. Die Frage ist: Kann ich dazu stehen. Lässt mich die Gesellschaft dazu stehen. Kann ich damit leben. Habe ich emotionale Probleme, damit fertig zu werden? Wo bekomme ich Hilfe? Mit wem kann ich sprechen? Was mache ich mit dem leeren Gefühl in meinem Bauch? Wie kann ich mit dieser Entscheidung leben? Macht es mich zu einem schlechten Menschen? Schuldgefühle plagen. Selbst wenn man keine Schuldgefühle hat.
In der aktuellen family- Zeitschrift findet ihr ein Beispiel einer Frau, die zweimal abgetrieben hat und schlimm damit zu kämpfen hatte. Gleichzeitig zwei Fälle, in denen sich die Frauen in ausweglosen Situationen für das Kind entschieden haben. Ich möchte euch noch von einer Frau erzählen, die abgetrieben hat und das nicht bereut. Warum mache ich das? Mit meinen klaren Überzeugungen?
Mir ist wichtig, dass Frauen zu Wort kommen. Ich möchte, dass wir anfangen über das Thema zu sprechen. Ich möchte, dass wir frei werden um Frauen besser helfen zu können mit diesem Thema umzugehen. Ich möchte, dass wir verschiedene Meinungen hören und gleichzeitig mittragen. Eine Abtreibung macht man emotional nicht “mal eben so”. Auch Antonia nicht, die ich hier zu Wort kommen lasse. Auch eine Antonia hat mit sich gerungen und dann eine Verstandesentscheidung getroffen.
Manche Frauen können hinterher gut damit leben. Sie können diese Erfahrung gut verarbeiten. Andere vermissen nach Abstand ihr Kind. Viele Frauen haben große Probleme und brauchen hinterher eine psychiatrische Betreuung wegen eines “Post Abortion Syndroms”. Das darf man in Deutschland allerdings so nicht nennen. Hierzulande spricht man von einer “post-traumatischen Belastungsstörung”.
Antonia (44), selbstständig, verheiratet, 2 Jungs.
Antonia führt eine glückliche Ehe und hat engen Kontakt mit ihrer Familie. Sie hat 4 Geschwister, ihre Eltern waren bis zum Tod ihrer Mama glücklich verheiratet.
“Das erste Mal wurde ich 1998 schwanger und habe im April 1998 ambulant in München abgetrieben. Noch heute stehe ich zu meiner Entscheidung und bin nicht traurig darüber. Es war schlichtweg nicht der richtige Zeitpunkt. Ich wollte beruflich noch aktiv weitermachen und Geld verdienen. Mein Mann steht ebenfalls zu mir und meiner Entscheidung damals. Es war auch keine große Sache, körperlich war ich nach einem Tag wieder fit und auch seelisch kann ich nur sagen, dass die Entscheidung gegen ein Kind, zu meinem Leben dazugehört. Wie meine beiden wunderbaren Söhne eben jetzt auch! Beide Kinder waren Wunschkinder und sind nach völlig unkomplizierten und schönen Schwangerschaften entspannt auf die Welt gekommen.
2010 bin ich ganz unerwartet noch einmal schwanger geworden. Da war ich aber einfach durch die immense Belastung durch Selbständigkeit und zwei kleine Kinder schon nahe am Burnout und ich konnte mir ein weiteres Kind einfach nicht vorstellen. Mein Mann hat meine Entscheidung akzeptiert und mich auch wieder zur Abtreibung nach München (gleiche Praxis) begleitet. Dieses Mal fiel es mir nachher etwas schwerer, zu meiner Entscheidung zu stehen, da ich wusste, dass ich nun aufgrund meines Alters kein Kind mehr bekommen würde. Im Nachhinein meine ich, dass ich es schon hätte schaffen können mit drei Kindern. Aber auch hier denke ich: Ich kann sicher im Leben nicht alles richtig machen. Aber ich kann mich entscheiden. Und das hab ich gemacht.”
Ich würde gern eure Meinungen zu diesem Thema hören. Wie steht ihr dazu: Findet ihr es wichtig, dass wir offener darüber sprechen? Nicht nur in der 3. Person, sondern wirklich persönlich werden? Empfindet ihr es als Tabu- Thema oder eher nicht?
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