Anlässlich meiner nahe bevorstehenden Geburt habe ich viele Gespräche mit jungen Müttern geführt. Mütter, deren Babys noch nicht alt sind. Erstlingsmütter, aber auch Zweifachmütter.
Vor einiger Zeit habe ich in der family einen Artikel über das Thema “Plötzlich Mutter” geschrieben. Er handelte von der ersten Zeit des Mama-seins. Von den Schwierigkeiten und Turbulenzen und vor allem dem einen Gefühl: Ich habe mir das ganz anders vorgestellt.
Das ist ein Gefühl, dass wir oft nicht laut aussprechen. Wir wissen, was wir zu fühlen haben, was man von uns erwartet. Wir fahren mit dickem Bauch ins Krankenhaus und erwarten, dass wir überschwängliche Liebe für das Baby haben, sobald es aus uns heraus purzelt. Doch dem ist oft nicht so. Vielmehr liegt das kleine Würmchen neben uns, wir schauen es an und denken: “Ach du meine Güte. Und dafür bin ich jetzt verantwortlich?” Und dann fahren wir mit dem Babyautositz nach Hause. Das Baby sieht dabei viel zu klein aus, viel zu zerbrechlich. Und wir kommen zu Hause an, das Baby schreit und wir wissen GAR NICHTS. Überforderung. Hilflosigkeit. Warum schreit es jetzt? Wie oft muss ich stillen? Was muss ich tun? Sind denn alle irre: Sie haben uns mit dem Baby allein gelassen!
Ich war gerade 23 geworden, (von dieser Zeit stammen auch die Fotos dieses Artikels. Sie sind also nunmehr 8 Jahre alt) als unsere älteste Tochter geboren wurde. Ich war sehr jung. Im Nachhinein finde ich mich zu jung, auf der anderen Seite ist sie jetzt unheimlich stolz, so eine junge, coole Mama zu haben (Ja, das sind ihre Worte.). Ich weiß noch, wie sie neben mir lag und sie sah aus, wie das perfekteste, kleine Baby, dass ich je gesehen hatte. Ich war definitiv verliebt. Und dann ging es nach Hause. Und ich hatte noch kein Bauchgefühl. ich wusste nicht, was sie braucht oder was ich tun muss. Ich hielt mich an Bücher wie “Jedes Kind kann schlafen lernen” und klammerte mich an Regeln, an Rituale und feste Uhrzeiten. Ich versuchte zu stillen und gab nach 3 Monaten auf. Ich brauchte wirklich lange, um Mutter zu werden. Ich war es nach außen, aber mein Herz und meine ganze innere Grundhaltung brauchte Zeit um das Mutter-sein auch fühlen zu können. Ich brauchte Zeit mit unserer Tochter. Ich musste sie kennen lernen.
Beim zweiten Mädchen war es ganz anders. Ich war schon Mama. Ich hatte 4 Jahre lang Zeit gehabt, um das zu lernen. Ich war Vollblutmama. Die kleine Merlind kam zur Welt und mein Bauchgefühl funktionierte perfekt. Ich wusste was sie braucht, ich wusste was ich zu tun habe und konnte viel mehr auf ihre Bedürfnisse eingehen. Denn, ich war sicher. Jegliche Unsicherheit war verschwunden. Trotzdem hat mir eine gute Freundin letztens erzählt, dass es ihr sogar beim zweiten Kind noch so ging: Sie musste sich erst verlieben. Und sie hat dafür Zeit gebraucht.Und ja, es gibt auch Väter, die Zeit brauchen. Zeit, um sich in ihre Kinder zu verlieben. Zeit, um traumatische Geburten zu verarbeiten und Zeit, um sich an die neue Situation als Vater zu gewöhnen.
Mutter ist man nur auf dem Papier von heute auf morgen. Wir müssen uns selbst Zeit geben und vor allem, offen darüber sprechen können. Viel zu oft gibt es gerade beim ersten Kind Momente, wo wir uns fragen, warum wir uns das angetan haben. “Wenn wir das gewusst hätten, hätten wir doch lieber noch 2 Jahre gewartet.” Niemand hat uns vorher gesagt, wie schmerzhaft ein Milcheinschuss ist. Niemand spricht darüber, wie hilflos man sich fühlt, wenn man das Baby zum ersten Mal badet und permanent Angst hat, dass der kleine Körper einem aus der Hand rutschen könnte. Niemand hat uns gesagt, was eine Geburt mit unserem Körper macht und was danach noch so alles bei uns passiert. Niemand hat darüber gesprochen, wie verändernd es als Paar ist, Mutter und Vater zu werden. Und wie schmerzhaft. Niemand hat uns gesagt, wie anstrengend es ist, permanent ein kleines Baby an unserer Brust kleben zu haben und wie der Geruch von Schweiß und Milch sich vermischen wird. Darauf waren wir nicht vorbereitet. Wir hatten ein verklärtes Bild vor Augen. Doch die Realität ist manchmal anders. Ermüdend. Sehr ermüdend.
Deshalb apelliere ich: Lasst euch Zeit. Gebt euren Gefühlen Zeit, Mama zu werden. Fühlt euch nicht schlecht, wenn ihr es nicht gleich fühlen könnt. Es ist normal. Die Liebe ist da und kommt und wird immer größer und immer stärker. Verbringt Zeit mit euren Kindern. Haltet die Hitze zwischen euren Brüsten aus, wenn das Kind seit Stunden im Tragetuch dazwischen klebt. Kuschelt viel. Nehmt euch die Zeit, euer Kind zu betrachten und akzeptiert die Babyzeit als “Zeit der kleinen Augen”. Sie geht vorbei, viel zu schnell vorbei. Und sie ist so wertvoll um das Band zwischen euch zu stärken und euch zu Müttern zu machen. Löwenmüttern. Liebenden Müttern. Müttern, die alles für ihr Kind tun würden.
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