Nachdenkenswertes, Tiefgang
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Ein Appell für mehr Manieren

 

 

Ja. Ich liege nicht im aktuellen Trend. Eine gewaltige Strömung an individuellen Kindern und Erziehungsmethoden strömt auf uns ein. Vielleicht geht es den Eltern mit den aktuellen Erziehungstrends besser. Sie müssen sich weniger aufregen, weniger Konflikte anpeilen und austragen und die Kinder haben weniger Grenzen, weniger Regeln, weniger schimpfende Eltern usw.

Kann sein. Doch was passiert, wenn wir unsere Kinder zu Menschen erziehen, oder eben nicht erziehen, die in dieser Gesellschaft nicht mehr zurecht kommen und andere Menschen unfassbar nerven? Warum müssen Trendthemen immer so fürchterlich schwarz-weiß sein? Warum ist es nicht möglich, voller Liebe und voller Bindung zu meinem Kind zu sein und gleichzeitig meine Verantwortung wahrzunehmen, und sie zu mündigen Erwachsenen mit “guten” Manieren zu erziehen?

Ich habe schon oft überlegt, etwas zu diesem Thema zu schreiben und der Harfen – Auftritt unserer Lele vor ein paar Wochen hat tatsächlich das Fass zum Überlaufen gebracht. Sie durfte bei einem Bambino- Konzert auftreten. Ein Konzert für kleine Kinder. Meiner Ansicht nach perfekt für ab 3jährige. Natürlich aber finden die heutigen Eltern, dass Frühförderung schon mit 1 Jahr losgehen sollte. Von mir aus. ich habe auch immer meine Kinder mit. Allerdings sind die ruhig. Und wenn sie es nicht sind, gehe ich raus. Ich möchte die anderen Eltern und Kinder nicht stören. Das sehen aber nicht alle Eltern so. Im Gegenteil. Die Kinder dürfen weinen, schreien, rufen. Sie dürfen auf der Bühne herumrennen, während ein 8jähriges Mädchen versucht, fehlerfrei zu spielen. Sie dürfen sogar während der Präsentation ins Instrument fassen. Die Eltern reagieren, wenn überhaupt, nur halbherzig und lächeln dabei ihr eigenes Kind so herzlich an, dass das Kind natürlich nicht versteht, dass es etwas falsch gemacht hat und sofort wieder auf die Bühne läuft.

Genauso läuft das bei den Kindergartenfesten in Kirchen ab. Unsere Kinder besuchen einen kirchlichen Kindergarten. Bei besonderen Anlässen, wie beim St. Martinsfest beispielsweise, besuchen die Eltern gemeinsam mit ihren Kindern den Gottesdienst mit anschließendem Laternenlauf. Das die Kinder nicht lang still sitzen können, okay. Das bei 40 Kindern immer wieder eines ruft oder schreit, okay. Aber das die Eltern untereinander während des Gottesdienstes, ja sogar während der Gebete, sich lautstark unterhalten: Nicht okay. Mitunter ist es so laut, dass man den betenden Pfarrer oder die Konfirmanden, die wochenlang ein Theaterstück geprobt haben, nicht mal mehr durchs Mikrofon verstehen kann.

Ich empfinde das als respektlos. Vielleicht findet ihr mich zu kleinlich, zu pingelig und zu autoritär. Ja, ich hab auch nette, ruhige Kinder. Meine sitzen tatsächlich 2 Stunden ruhig da. Aber wisst ihr auch warum? Ich lebe ihnen das so vor. Ich sitze nämlich auch ruhig da und wenn sie zu laut reden, flüstere ich: “Psst, wir sind gerade im Konzert. Was, du möchtest jetzt etwas essen? Das geht eigentlich nicht… aber…mh…ganz heimlich und nur ausnahmsweise!”

Was geschieht nur mit unserer Gesellschaft? Wie soll es möglich sein, dass Lehrer es schaffen, unseren Kindern etwas beizubringen, wenn keiner mehr ruhig sitzen kann? Wie sollen unsere Kinder gesellschaftsfähig werden, wie sollen sie wissen, was Anstand ist, was gute Manieren sind und wie man sich verhält. Oder gibt es für euch gar nicht mehr das allgemeine Prinzip von “wie man sich eben verhält” und von “guten” Manieren? Ist das komplett überholt und in unserer post-postmodernen Generation, in der es keine Wahrheit mehr gibt und in der alles möglich ist und man sich nicht mehr festlegen will, gar nicht mehr relevant?

Mir geht es nicht darum, dass Kinder nicht wild und frei spielen dürfen. Es ist wichtig, dass sie sich schmutzig machen, dass sie entdecken, dass sie toben und ihre Fantasie ausleben können. Aber eben nicht in der Kirche oder im Konzert. Hier ist es wichtig, dass ich ihnen zeige und auch vorlebe, dass respektvolles Verhalten gegenüber meinen Mitmenschen ein Wert ist, der unabdingbar ist.

 

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