Ich gebe es zu: Ich war jahrzehntelang von Angst getrieben. Ich malte mir die schlimmsten Worst-Case Szenarien aus und das gab mir scheinbare Sicherheit. Ich wollte die vermeintliche Kontrolle behalten, wollte mir sicher sein, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, weil ich mich insgeheim so hilflos fühlte, dass ich dachte, ich würde den Herausforderungen des Lebens nicht gewachsen sein können.
Immer wieder fing ich meine Sätze mit „Ich habe Angst, dass…“ an und es war mir nicht einmal bewusst. Bis mich irgendwann eine Freundin darauf ansprach, mich fragte, ob ich viel Angst in meinem Leben hätte und ich mich zum ersten Mal damit beschäftigte. Es sollte aber noch weitere 7 Jahre dauern, bis ich mitten in der drohenden 2023-Putin-Krise feststellte, dass ich keine Angst mehr hatte. Zumindest keine, mich überfordernde, mich panisch machende Angst.
Wie bin ich dahin gekommen?
Angst zu haben ist per se nichts Schlechtes. Angst warnt uns vor Gefahren und im Normalfall tun wir gut daran, unserem Instinkt zu folgen. Angst kann Mut in uns hervorbringen, uns helfen, unsere Komfortzone zu verlassen und etwas zu wagen.
Angst kann aber auch lähmen, uns nicht dabei unterstützen, Lösungsorientiert zu denken, sondern stattdessen kopflos zu werden. Vor 3 Jahren schrieb ich in meinem Buch „Mama. Frau. Königstochter.“: „Ich bin ein sehr ängstlicher Mensch. Ich habe Angst vor eigentlich allem. Vor der Dunkelheit, vor Krieg, Atomwaffen, dem Tod, aber auch vor Spinnen, Silberfischen, Schimmel und Geldnot. Ich habe Angst vor der Zukunft, ich habe Angst, meine Aufgaben nicht zu schaffen, und ich habe Angst, als Mutter zu versagen.“
Und inzwischen kann ich sagen: Ich habe diese Ängste nicht mehr. Ja, es sind alles Dinge und Ereignisse, dir mir keine Freude bereiten, aber ich weiß tief in mir, dass ich alles bewältigen kann, was auf mich zukommen wird.
Wie wir Angst bewältigen können
Angst kann in kleinen Schritten bewältigt werden. Dafür müssen wir anerkennen, dass wir nicht alles kontrollieren können. Es ist die Fähigkeit, loszulassen und auch Veränderungen zulassen zu können. Es ist die Fähigkeit der so genannten Selbstwirksamkeit. Es ist die innere Überzeugung, herausfordernde Situationen im Leben meistern zu können. Und dafür muss man sie nicht vorher zigmal durchspielen und sich worst-case Szenarien überlegen. Stattdessen weiß man, dass es reicht, wenn man sich mit Lösungen auseinandersetzen wird, wenn die schwierigen Lebensumstände jemals eintreffen sollten.
Menschen, die an ihre Selbstwirksamkeit glauben, haben oft ein hohes Selbstvertrauen und wissen, dass sie vieles selbst beeinflussen können. Der Begriff stammt aus den 70er Jahren von einem kanadischen Psychologen.
Albert Bendura nennt vier Grundlagen der Selbstwirksamkeit:[1]
- Die eigene direkte Erfahrung, etwas erreicht zu haben
- Die Beobachtung entsprechender Erfahrungen bei anderen Personen, die einem selbst möglichst ähnlich sein sollten
- Die Ermutigung durch andere im Sinne von „ich weiß, dass du das kannst!“
- Die positive Interpretation körperlicher Vorgänge, die auf eine emotionale Erregung hinweisen; Schwitzen etwa, oder ein beschleunigter Herzschlag
Oftmals haben wir aus Angst dann gar keine Kraft und kein Selbstvertrauen mehr, um die Herausforderungen des Alltags anpacken zu können, trauen es uns nicht mehr zu. Doch Selbstwirksamkeit kann man lernen. Zum Beispiel indem man sich kleine, erreichbare Ziele setzt und hinterher beim Erreichen derer den eigenen Erfolg sieht. Oder indem man sich seiner eigenen Stärken und Schwächen bewusst wird, sich aktiv in schwierige Situationen begibt und auch mal Dinge ausprobiert, die viel Überwindung kosten.
Am vergangenen Wochenende war ich in Langeoog. Ich war dort verabredet mit einigen Frauen, die ebenfalls schreiben oder Unternehmerinnen sind. Wir wollten uns vernetzen und verbinden. Die Zugverbindung von mir aus war katastrophal, die Fähre fuhr nur 3-4 mal am Tag. Würde man die noch erwischen, müsste man einen Tag länger auf dem Festland verbringen. Ich entschied mich, Auto zu fahren, dieses im Norden abzustellen und dann mit der Fähre auf die autofreie Insel zu fahren. Es war ein weiter Weg, ich war vorher noch nie auf Langeoog gewesen und kannte mich nicht aus. Ich hatte auch keine Zeit, mir lange vorher Gedanken darüber zu machen, musste darauf vertrauen, dass sich vor Ort schon alles regeln würde. Es war eine weite Fahrt, aber es lohnte sich. Es war überwältigend schön, ich bekam die Fähre, konnte mich entspannen und auch die Autofahrt verlief sicher und unproblematisch. Ich wuchs tatsächlich über mich hinaus und war so stolz, dass ich das Wochenende nicht nur angepackt hatte, sondern es sogar noch so gut gemeistert hatte!
Mit der Zeit wird man immer mehr zu der Gewissheit gelangen, dass man scheinbar unerreichbare Ziele anstreben und auch schaffen kann.
Aber es kann auch so sein, dass wir eine zu hohe Selbstwirksamkeit erlangen und dann quasi zusammenbrechen an der Last, alles allein wuppen zu können. Es ist wichtig, nicht über seine eigene Leistungsfähigkeit zu gehen und ich bin dankbar, dass ich noch einen spirituellen Zugang habe, ich mich an Gott wenden kann.
Glaube an Gott kann helfen
Der Glaube an Gott kann dabei helfen, denn wir haben jemanden, dem wir unsere Ängste anvertrauen können. Unsere Ängste zeigen uns oft Wahrheiten über uns selbst und wir können diese zu Gott bringen, zu seiner heilenden Liebe.
Wir können nicht alle Ängste abschütteln, aber wir können uns bei Gott anlehnen und vertrauen, dass er uns tragen wird. Egal was passiert. Und wenn unser Vertrauen in uns selbst und in Gott wächst, schrumpft auch die Angst.
[1] https://www.swr.de/swr2/wissen/broadcastcontrib-swr-23308.html
Titelfoto: Veronika Smoor