Elternzeit, Familie
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Oh du hektische…

Ach Adventszeit, du fröhliche, besinnliche und friedliche Zeit! Moment – fröhlich, besinnlich, friedlich? Ich suche danach in dieser vorweihnachtlichen Zeit. Doch wenn ich mich gerade in der Welt umschaue und in die Gesichter der Menschen blicke, sehe ich dort weder Fröhlichkeit, noch Besinnlichkeit oder Frieden. Ich blicke in traurige, müde, angespannte oder abgehetzte Gesichter, manche voller Angst und Unsicherheit, ohne große Hoffnung für die Zukunft.

Die Zeiten sind schwierig, eine Krise jagt die nächste, viele sitzen in kalten Wohnungen und müssen das finanzielle Budget für Weihnachtsgeschenke kürzen – und das ist häufig noch das kleinste Problem. In meinem Freundes- und Bekanntenkreis kommen vor allem die Familien mit kleinen Kindern aus dem Krankenstatus gar nicht mehr heraus. Auch mich selbst erwischte es genau dann, als drei Artikel zeitgleich fertiggestellt werden wollten. Es scheint, als haben die anstrengenden letzten Jahre nicht nur die Psyche, sondern auch die Körper stark ausgezehrt. Weihnachtsstimmung Fehlanzeige.

 

Frohsinn in den Kinderaugen

Ich suche weiter nach Frohsinn, Besinnlichkeit, Frieden. Ich suche bei mir zu Hause, inmitten des trubeligen Familienchaos. Ah, da ist sie, die Fröhlichkeit – in lachenden Kinderaugen, die von den großen Problemen auf der Welt wenig wissen, froh Plätzchenteig naschen und dabei Weihnachtslieder singen. Endlich Weihnachtsstimmung, denke ich. Da bekommt die Dreijährige einen Wutanfall, weil der kleine Bruder auf ihrem Stuhl sitzt. Vor lauter Schreck fällt dieser gleich runter und weint vor Schmerz. Adé Fröhlichkeit. Besinnlichkeit und Frieden haben sich gar nicht erst eingestellt.

Also suche ich weiter. Ziehe mich abends zurück, wenn die Kinder schlafen. Ignoriere die Nachrichten im Fernsehen ebenso wie die hundert unbeantworteten E-Mails auf dem Handy. Dennoch, der Blick auf meine To-Do-Liste zeigt: Von Ruhe und Frieden auch hier keine Spur, für Besinnlichkeit keine Zeit. Noch nie war ich mit allem so spät dran wie dieses Jahr. Ich habe weder Weihnachtsgeschenke noch Ideen dafür. War noch nicht einmal auf dem Weihnachtsmarkt. Die Weihnachtskrippe steht noch verstaubt auf dem Dachboden, über den Baum sind wir uns noch nicht einig geworden. Die viel zu wenigen gebackenen Plätzchen reichen nicht mal bis zum dritten Advent. Weihnachtskarten mit lustigen Familienfotos werden dieses Jahr wohl zu spät versendet oder gleich ausfallen. Eigentlich wollte ich doch auch noch Spielzeuge aussortieren und für wohltätige Zwecke spenden. Dann gibt es da noch die vielen anderen, nicht weihnachtsbezogenen Aufgaben, die ich bis zum Jahresende abgehakt haben wollte.

Und letztlich, wie Astrid Lindgren schon sagte, „muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hinzuschauen.“

 

Die nicht-abgehakte To-Do Liste

Fast jedes Jahr erlebe ich die Adventszeit eher als eine hektische anstelle einer besinnlichen Zeit. Dieses Jahr besonders schlimm. Ich sehne mich nach einer abgehakten To-Do-Liste, nach einer Pause ohne innere Unruhe wegen unerledigter Dinge, nach einer friedvollen Welt – wenigstens für diese wenigen Wochen Adventszeit. Und weiß doch, dass das eher unwahrscheinlich ist. Ich weiß, dass sich Weihnachten nicht nur um Geschenke und Co dreht, dennoch bin ich wie so viele gefangen im vorweihnachtlichen Stress-Hamsterrad, und das teilweise sogar freiwillig und gern. Denn irgendwo gehört es doch dazu, dieser Vorweihnachtstrubel, diese Hektik. Und gleichzeitig sind da solche Schuldgefühle in mir: Über mein Jammern über nicht existenzielle Luxusprobleme, von denen andere auf dieser Welt gerade nur träumen können. Über meine Unfähigkeit, die Adventszeit zu genießen und sie selbst ruhig und besinnlich zu gestalten, mit kitschig-harmonischen Familiensonntagen am Kaffeetisch.

 

Wer schreibt mir vor, wie ich mich im Advent zu fühlen habe?

Doch vielleicht ist es ok so. Vielleicht ist es in Ordnung, sich nicht weihnachtlich zu fühlen, wenn man mit offenen Augen wahrnimmt, was gerade alles in der Welt passiert. Vielleicht ist es in Ordnung, sich gestresst und getrieben zu fühlen, wenn man ja doch irgendwie aus eigener Entscheidung heraus den Weihnachtstrubel mitmacht. Wer schreibt mir denn vor, wie ich mich im Advent zu fühlen habe?

Ich gebe die Suche nicht auf. Ich suche weiter adventliche Ruhe, Frieden, Freude und Besinnung. Ich finde es in den kleinen Dingen: Der Duft des Räuchermännlein, das Licht der Adventskerzen, die strahlenden Kinderaugen jeden Morgen beim Adventskalender öffnen.
Und ich persönlich finde all das, wenn ich meine Augen auf den richte, um den es in dieser Adventszeit eigentlich gehen sollte: Jesus Christus, an dessen Geburtstag wir Weihnachten denken. Dann kann ich durchatmen und für einen Moment vergessen. Dann wandelt sich die Adventszeit wieder von „Oh du hektische…“ hin zu „Oh du fröhliche…“.

„Mögest du Ruhe finden, wenn der Tag sich neigt und deine Gedanken noch einmal die Orte aufsuchen, an denen du heute Gutes erfahren hast. Auf dass die Erinnerung dich wärmt und gute Träume deinen Schlaf begleiten.“ – Irisches Segenswort.

 

 

Titelfoto: Pexels.com Markus Partoll

 

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