Bevor unsere Familie in den dreiwöchigen Sommerurlaub aufbrach, mischte sich in meinem Herzen Vorfreude mit Besorgnis. Das Mischungsverhältnis fiel blöderweise sehr eindeutig zu Gunsten der Besorgnis aus.
„Drei Wochen!“, zauderte ich einer lieben Freundin in die Sprachnachricht. „Drei Wochen irgendwo im Nirgendwo, hoch oben in den italienischen Alpen. In einem Dorf, in das man noch nicht mal mit dem Auto fahren kann- so weit oben! Mit drei Teenagern!!! Einer davon wird seine Freundin vermissen und das Meer. Eine will hochleistungswandern. Zu siebt in der Wildnis- das ist doch verrückt!“ Die Freundin zitierte den schottischen Großvater ihrer Kinder, der nach einem Campingurlaub mit fünf Kindern zu seiner entnervten Frau gesagt haben soll: „family holidays are an obligation!“ Sie fände das sehr entlastend. Familienurlaub sei nicht unbedingt Erholung, aber auf jeden Fall eine Erfahrung, die man einander zumuten müsse. Aha, sehr tröstlich. Andererseits stimmt es natürlich. Wir muten uns einander zu, ganz ohne Alltagsstützkorsett, lernen uns wieder neu kennen, lernen neu Kompromisse zu schließen (ja, auch Eltern, denn Teenagern sollte man besser nicht den eigenen Urlaubsvorstellungen unterwerfen, nicht wenn man sie gerne mag). So oder so ist es ein Abenteuer, mit oder ohne Wildnis.
Dankbarkeit
Nach unserem dreiwöchigen Sommerurlaub mischen sich in meinem Herzen Dankbarkeit und Freude. Das Mischungsverhältnis ist ideal. Einer vermisste das Meer, aber wir fanden wunderschöne Seen zum Baden und Städtchen und Märkte zum Flanieren. Dafür bestieg er ohne Murren mit uns Berge und spielte endlose Runden Scull King mit seinen kleinen Geschwistern. Der Gatte fuhr mit den beiden Ältesten für einen Tag nach Mailand, die Jüngeren durften erleichtert mit mir zu Hause bleiben. Die Sportlerin unter uns joggte morgens Panini kaufen und hatte damit die ersten 400 Höhenmeter schon auf ihrer Seite. Die Wildnis erwies sich tatsächlich als Wildnis, aber eine sehr malerische mit Wildschweinen, Füchsen, Skorpionen und W-Lan. Ich ließ den Gatten ausschlafen und sorgte für Frühstück, dafür übernahm er das Kochen am Abend. Er hatte Spaß und ich meine Ruhe. Weil wir nicht die Angestellten unserer Kinder sind, wurden alle Hausarbeit gleichmäßig verteilt und ja, das ging nicht ohne Streit und Protest, aber es war Krach, der sich lohnte. Am Ende waren wir einmal mehr verschworene Gemeinschaft.
Manche Zumutung ist letztlich ein Segen und Familie sollte immer der Ort sein, wo wir uns einander mit unseren Stärken und Schwächen, unseren Bedürfnissen und Wünschen zumuten dürfen.
Dann lernen wir einander immer neu kennen, lassen uns sehen und sehen die anderen. Wir üben Kompromisse zu schließen und sind hinterher um ein Abenteuer reicher. In diesem Sinne: ja! Family vacation is an obligation!