Ich bin schwanger und damit schaffe ich nicht mehr so viel wie vorher und viel bleibt liegen. Es fällt mir ungemein schwer Abstriche zu machen. Wo setze ich die Prioritäten? Was ist wirklich wichtig?
Wie viel Raum und Stille geben wir unserer Seele. Was brauchen wir um ruhiger zu werden? Wie beginnen wir den Morgen, was bleibt liegen?
Ich liege ganz oft morgens noch im Bett und versuche ruhig zu atmen, meine Gedanken zu sortieren und schicke ein stilles Gebet gen Himmel. Ruhe, Gelassenheit und vor allem der innere Friede, dass dieser Tag so wie er eben ist, gut ist. Genau das brauche ich jeden Tag.
Momentan weiß ich nie, was passieren wird. Es gibt Tage, da bockt die kleine Merlind, da hat sie schlechte Laune. Es gibt Tage, da macht sie aus Versehen in die Hose. Es gibt Tage, da kommt ein schlecht gelauntes Schulkind nach Hause und weiß nichts mit sich anzufangen. Es gibt Tage, die sind zum Vergessen. Und dann gibt es diese Tage, da läuft es. Der Flow ist mit mir. Ich könnte Bäume ausreißen und hab das Gefühl, ich bin eine Supermutter. Ich schaffe Arbeit, Uni, Haus und Kinder mit links.
Doch dann fällt einem wieder der Alltag auf die Füße. Und ich weine. Und der Mann muss trösten. Dann überkommt mich eine Hormonflut und nicht mal ich selbst weiß, wie ich die unter Kontrolle bekommen kann.
Wir streben gern nach Perfektion. Besonders wir Frauen wollen, dass unsere Kinder gut erzogen sind, gut im Leben ankommen und sich in entsprechendem Maß entfalten können gemäß ihren jeweiligen individuellen Stärken. Wir wollen ein gemütliches zu Hause, wollen gleichzeitig gute Hausfrauen sein, aber uns auch selbst entfalten, Erfüllung finden. Wir wollen gut aussehen, uns sexy und sportlich fühlen und gleichzeitig einen Beruf leben, der uns erfüllt und Geld in die Kasse spült. Unsere Anforderungen an uns selbst sind extrem hoch. Das Problem ist ebenfalls, dass wir als Frauen IMMER ALLES auf einmal im Kopf haben. Während wir arbeiten, denken wir an unsere Kinder und während wir mit dem Kind auf dem Spielplatz sitzen, an unsere Arbeit. Wir schalten quasi nie ab, können uns selten auf den Moment konzentrieren. Wir gehen arbeiten und haben gleichzeitig ein schlechtes Gewissen, weil wir unsere Kinder nicht eher abholen können. Oder wir arbeiten im Homeoffice (wie ich momentan) und das Kind kann dadurch mal zu Hause bleiben. Allerdings habe auch ich ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht mit dem Kind bastelnd und Bullerbü-Buch-lesend auf dem Sofa sitze, sondern statt dessen am Schreibtisch, während das Kind allein spielen muss/darf/soll.
Wir streben nach einer Perfektion, die wir niemals erreichen werden.
Auch bei uns zu Hause soll es schnell so aussehen wie bei Pinterest oder Instagram. Wir wollen ein Vorzeige- zu Hause. Eine Wohnung, die so aussieht wie im Katalog. Das schaffen die meisten aber nicht. Ich auch nicht. Es kostet viel Energie wenn man so leben möchte. Außer vielleicht man schafft es, und lebt absolut minimalistisch. Kriegen wir aber nicht hin. Ich hab gar keine Zeit um laufend alles wieder zu verkaufen, was ich nicht unbedingt brauche. Also müllen wir zu. Ja, ist so. Wir sind hier eingezogen und ich hab viele Wochen gebraucht bis ich mir eingestehen konnte, dass es mir schwer fällt, im Unfertigen zu leben. Warum? Weil es nicht perfekt ist und nicht so aussieht, wie ich es mir vorgestellt hab. Dann hat es wieder lange gebraucht bis ich mir zugestehen konnte, dass das völlig in Ordnung ist und ich noch sehr viel Zeit habe, um meine ganzen DIY Projekte, Ikea Einkäufe und Baumarkt-Besuche zu machen und Stück für Stück unser Haus zu meinem zu Hause zu machen. Es braucht Zeit. Es ist nicht perfekt. Wird es auch nie sein. Dafür ist das Haus auch viel zu groß und viel zu hell. Man sieht jeden Fleck (hilfe.).
GNADE ist das Wort, dass wir suchen. Es ist das Wort, nach dem unser ganzes Innerstes strebt. Es ist das Wort, nach dem unsere Seele sich sehnt. Gnade bedeutet, dass ich Gunst empfange. Freiwilliges Wohlwollen meinem Versagen gegenüber. Es hat eine christliche Prägung. Gnade gegenüber meinem Versagen als Mensch. Göttliche Gnade im Zusammenhang mit der Erlösung als Mensch. In meinem Alltag bedeutet Gnade aber auch, dass ich gnädig mit mir selbst bin. Ich gehe gnädig um mit meinem eigenen Versagen und gestehe mir zu, dass ich nicht perfekt sein muss. Das Gegenteil von Gnade ist Gnadenlosigkeit. Das würde bedeuten, dass ich unbarmherzig mir selbst gegenüber bin. Das ich viel zu viel von mir verlange und aufhöre, auf mein Innerstes zu hören. Wo ist meine Grenze? Wo habe ich meine Schwächen? Wo ist der Punkt, an dem ich nicht mehr kann und wann darf ich einfach mit einem kühlen Wein auf dem Sofa sitzen und die Füße hochlegen? Wie oft überschreite ich meine Grenzen und fordere Perfektion und zu viel von mir?
GNADE bedeutet aber auch, dass ich gnädig bin mit meinem Ehemann und meinen Kindern. Es heißt, dass ich ihm zugestehe, dass er nicht perfekt sein muss und gar nicht sein kann. Er verhält sich nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe? Er verletzt mich vielleicht aus Versehen? Ich verzeihe ihm. Immer wieder. Ich bin gnädig mit ihm. Und er ist gnädig mit mir. Jeder hat Schwächen, jeder hat Macken und manchmal versagen wir auch ganz bewusst und ganz fürchterlich im Leben. Dann nimmt das Wort Gnade erst Recht Kontur an. Dann wird deutlich, was Gnade wirklich bedeutet. Gnade heißt Vergebung. Vergebung mit mir und mit meinen Mitmenschen.
Gnade statt Perfektion. Das ist etwas, was ich mir vornehme für die nächste Zeit.
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