Lisa-Maria lebt mit Mann und zwei Kindern in Chemnitz. Sie ist Psychologin, Familientherapeutin und Journalistin. Nebenbei gibt sie auch gern Nachhilfe. Sie liebt eine gute Balance zwischen Familienzeit und Auszeit für sich selbst, Zeit zum Schreiben, Musik machen, Lesen, Nähen, Städtetrips und das Kaufen von Second Hand Kleidung.
Da war er mal wieder: Einer dieser Tage, die nicht gerade zu meinen Glanzstunden als Mama zählen und für die ich auch ganz sicher keinen Preis als „Mutter des Jahres“ verdiene. Nach 2 Wochen mehr oder weniger Auszeit durch Urlaub und Krankheit und einem nahezu kinderfreien Geburtstagswochenende ging mein Mann das erste Mal wieder auf Arbeit. Unsere Tochter durfte noch nicht wieder in die Kita, sie sollte erst ganz gesund werden. Für mich hieß das: Mama allein zu Haus mit zwei Kindern. Wieder einmal. Nichts, was ich nicht schon getan hätte. Ich wusste, ich konnte das stemmen, doch ungewohnt war es trotzdem. Und irgendwie hatte ich ein ungutes Bauchgefühl.
Der Anti-Mama-Tag
Der Morgen begann entspannt, das große Kind schlief lange, das kleine war wach aber zufrieden. Nachdem auch das große Kind aufgewacht war, sollte sich meine entspannte Gemütslage jedoch schnell ändern. Unsere Tochter hatte offenbar beschlossen, heute ihren besonders trotzigen Anti-Mama-Tag zu haben: Ich konnte ihr nichts Recht machen, sie änderte innerhalb von Millisekunden ihre Meinung, widersprach mir bei wirklich jeder Anweisung schon aus Prinzip, weinte, heulte, tobte und schrie immer abwechselnd. Nur um in der nächsten Sekunde blendend gelaunt zu sein. Himmelhoch jauchzend… man kennt das Sprichwort. Der kleine Bruder ließ sich anstecken und heulte mit der großen Schwester um die Wette. Natürlich immer zeitgleich. Und das Problem als Mama ist eben, dass man leider nicht so viele Arme wie ein Oktopus hat und sich meist nur intensiv um ein Kind und nicht um zwei gleichzeitig kümmern kann. Nach nicht mal einer Stunde war ich bereits am Boden, völlig genervt, gestresst und gereizt. Ich war ohnehin schon übermüdet von der letzten, viel zu kurzen und durch zahllose Stillmahlzeiten geprägten Nacht. Mich plagte das schlechte Gewissen, weil ich es scheinbar nicht schaffte, meinen beiden Kindern gerecht zu werden, sondern immer eines zurückstecken musste. Ich hatte ein dringendes Bedürfnis nach Ruhe, um meine Gedanken zu ordnen, und wollte gleichzeitig irgendwas zertrümmern oder darauf einschlagen. Ruhig bleiben, atmen. Weitermachen.
Doch trotz aller Anstrengung riss mir mehrmals der Geduldsfaden und ich ließ mich auf das Niveau des Tages ein: Schreien, Brüllen, Weinen. Die Erwachsene, die kurz selbst zum Kind wird. . Ich war wütend: Auf meine gerade so widerspenstige Tochter, die einfach andere Pläne im Kopf hatte als ich. Auf meinen winzig kleinen Sohn, der seine Unzufriedenheit nur durch lautes Weinen auszudrücken vermochte. Und auf mich, dass ich die beiden gerade nicht einfach (aus-)halten und stark und ruhig für sie sein konnte. Dass ich gerade nicht die coole, gelassene Mutter sein konnte, die ich sein wollte. Mehrmals fragte meine Tochter, wann Papa denn von der Arbeit wieder nach Hause kommt – ich war offensichtlich gerade keine gute Gesellschaft. Hätte ich gekonnt, wie ich wollte, hätte ich den Tag bereits um spätestens 11 Uhr mittags für beendet erklärt. Da das nicht ging, bugsierte ich meine beiden Kinder – wenn auch unter heftigem Protest von beiden – nach draußen an die frische Luft, zum Durchatmen, Nachdenken, Runterkommen. Ein friedlicher Familienspaziergang war mein Plan. Und erstaunlicherweise ging der Plan auf.
Als Elternteil schrumpfen
Ein Kalendertext an unserer Wand erzählt davon, dass man an schwierigen Tagen als Elternteil schrumpfen muss. Sich nicht durch Lautstärke, Wut oder Machtdemonstration größer machen und über das wütende, weinende Kind erheben. Sondern die Luft rauslassen, schrumpfen, auf die Größe des Kindes oder gerade so weit, dass es in die tröstenden Arme passt. Und das tat ich. Mit jedem Schritt schrumpfte ich mehr. Ließ meine Wut, meinen Frust, meine Überforderung los. Und ließ mich neu auf meine Kinder ein. Betrachtete sie mit neuer Liebe. Sah neu, wie klein sie doch noch sind und wie sehr sie eine liebende Mama brauchen. Und plötzlich wurde mein Sohn im Kinderwagen ruhig und hielt – endlich – ein kleines Nickerchen. Plötzlich nahm meine Tochter meine Hand und sagte:
„Alles gut, Mama!“
Ich kann kaum beschreiben, wie sehr mein Herz in diesem Moment überströmte vor Liebe. Kinder vergeben so schnell, sie lieben so bedingungslos. Einfach nur, weil wir ihre Mamas und Papas sind. Weil wir jeden Tag – jeder auf seine Art und Weise – unser Bestes für sie geben.
Und ja, es gibt sie, diese glanzlosen Tage voller Überforderung, Stress und Frust. Dann handeln wir manchmal übertrieben und sind nicht gerade stolz darauf. Aber das macht uns nicht zu schlechten Eltern. Das lässt die Liebe zwischen uns und unseren Kindern nicht weniger werden. Wir können es jeden Moment neu versuchen, können wieder schrumpfen auf eine kinderfreundliche Größe. Dann ist da wieder Platz für strahlende Kinderaugen und kleine Kinderhände. Und für ganz viel Liebe.
Übrigens wurden auch meine heimlichen Stoßgebete nach Ruhe und Zeit für mich erhört: Beide Kinder machten – zum ersten Mal seit der Geburt des Kleinen – gleichzeitig einen langen Mittagsschlaf von fast zwei Stunden. Zeit, um meine Kraftreserven aufzufüllen. Und vielleicht noch ein bisschen zu schrumpfen. Und dann mit neuer Energie und Freude mit meinen Kindern zu spielen. So hat am Ende dieser glanzlose Mamatag doch noch etwas Gutes.