Der Zug rast an Feldern vorbei. Kühe, Pferde, Häuser, Wälder.. dann Städte voller Menschen. dreckig, laut und mitunter nicht sehr heimelig. So wie diese Welt außerhalb meines Fenster rast, so fühlt sich in den letzten Jahren mein Leben an. Das Lebenstempo ist hoch. Wer mich privat kennt, hat so manches Mal den Kopf geschüttelt und sich gefragt “warum so schnell?” oder sich Sorgen gemacht “Wird sie das durchhalten?”. Mein Mann ist ebenfalls wie ich ein ehrgeiziger, zielstrebiger Mensch. Wir sind “Macher” und haben keine Scheu, Entscheidungen zu treffen. Wir stehen zu unseren Fehlern, die manche Fehlentscheidungen hervorgerufen haben, reflektieren uns weitestgehend (unseres Erachtens meistens) gut und rasen weiter. Wir spornen uns an, wir sind unsere Cheerleader, feuern uns an und treiben uns zu Höchstleistungen an. Wir versuchen gleichzeitig, Auszeiten zu schaffen, uns zu erholen und abzuspannen. Wir liegen viele Abende faul auf dem Sofa oder in der Badewanne. Wir genießen unsere Liebe und sind dankbar für unser Leben.
Trotzdem. Unser Leben rast vorbei. Es ist schwer, Momente festzuhalten und sie auszukosten. Letztes Jahr im Sommer war ich an einem Punkt, wo ich wirklich am Ende war. Psychisch und physisch ausgelaugt. Ich sehnte mich nach Ruhe und freute mich, auf eine kommende Schwangerschaft. Wenn ich schwanger bin, schiebt mein Körper immer einen Riegel vor alles. Er wird müde und träge. Vergesslich und phlegmatisch. Er macht einfach nicht mehr mit bei unserem Lebenstempo und ich bin das gemütlichste Wesen der Welt. Dadurch habe ich auch bisher immer sehr entspannte, ausgeglichene Babys auf die Welt gesetzt. Stress war uns fern. Ich sehnte mich unendlich nach diesen Momenten. Ich wollte diese Auszeit.
Dann war sie da, die Auszeit. Und ich haderte. Ich wollte noch so viel machen. Ich wollte im Studium weiterkommen. Ich wollte das Haus fertig planen.. ich wollte so viele Dinge tun. Und es ging nichts mehr. Mein Körper wurde immer träger und immer müder. Im Studium ging nichts mehr, ich musste Prüfungen schieben. Das Haus wird fertig, aber ich hab noch keine Ahnung wie ich es einrichten möchte. Es ist mir auch irgendwie egal. Denn, mein Verstand ist phlegmatisch geworden. Ich hadere damit. Ich wehre mich dagegen. Ich will den Urzustand beibehalten und weiter zu Höchstleistungen auflaufen. Dabei vergesse ich, dass mein Körper schon Höchstleistungen vollbringt indem er ein kleines Baby produziert.
Es fällt mir schwer, stehen zu bleiben in dieser Zeit. Alle rennen weiter, das Leben rennt weiter. Und ich bleibe stehen. Ich muss akzeptieren, dass ich in 2 Monaten hochschwanger auf unserem Sofa sitzen werde und die Höchstleistung des Tages darin besteht, meine Kinder abzuholen und Essen zu kochen. Ich muss akzeptieren, dass noch einmal eine Zeit anbricht in der ich damit beschäftigt bin zu stillen, zu wickeln, zu trösten und das alles immer wieder von vorn.
Die einzige Lösung besteht darin, sich für diese Lebenszeit bewusst zu entscheiden. Meine Mutter sagte immer: “Es ist die Zeit der kleinen Augen. Es kommen wieder andere Zeiten. Es ist nur eine kurze Zeit, sie geht so schnell vorbei.” Und damit hat sie Recht. Wie schnell sind die Kinder groß. Und dann will man die Zeit zurückdrehen und anhalten. Ich werde mich also entscheiden, innezuhalten und mein Lebenstempo anzuhalten. Ich werde noch einmal zurückfahren und diese Zeit mit Baby bewusst genießen. Sie kommt nie wieder.
Foto von J. Weicker
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