Leitartikel
Schreibe einen Kommentar

Wort zum Sonntag: Regretting Motherhood, Hausputz und Fußballfieber im Reich Gottes

 

Nachdem ich wochenlang an meinen Schreibtisch gefesselt war und danach ständig unterwegs, musste ich mir eingestehen, dass unser Haushalt nur noch grob gepflegt worden war. Dank meines Mannes und einem schnellen Großputz einmal pro Woche von mir war der Status Quo erhalten geblieben, aber alles, was Richtung etwas mehr Perfektion, Ecken säubern oder Abstellecken aufräumen zu tun hat, war liegen geblieben.

 

Und nein, das lässt sich natürlich jetzt auch nicht mehr in ein paar Tagen ändern. Ich besorgte mir tiefenreinigende Putzmittel und begann, Bettwäsche zu waschen, neue Handtücher zu kaufen und die Vorhänge zu waschen. Ich entdeckte Spinnweben unter Tischen und hinter meiner Skulptur eine schöne Staubwollmaus. Als ich meinen neu erworbenen Tiefenreiniger im Bad der Kinder testen wollte und die Klobrille aufmachte, wurde mir anders. Ich erspare euch Details, aber ich klappte ihn erstmal wieder zu und schüttete nach 2x Seufzen meinen Tiefenreiniger hinein. Und in dem Moment dachte ich daran, wie schön dieses Haus ohne Kinder wäre. Wie sauber. Wieviel aufgeräumter. Wieviel weniger Zeug ich hätte und das ich nicht darüber diskutieren müsste, ob wir den BabyBorn Essstuhl, ihr kleines Waschbecken und ihre Toilette (alles in rosa Miniaturformat) wirklich aufheben müssen. Ich hätte ein Arbeitszimmer. Und ein Bibliothekszimmer. Und ein eigenes Bad. Ich hätte mehr Geld. Mehr Zeit. Regretting Motherhood. So heißt der Begriff, der vor einigen Jahren und auch immer noch, durch die Medien geistert. Frauen, die, obwohl sie ihre Kinder lieben (wollen), bereuen, Mutter geworden zu sein. Oder, vielleicht könnte man es anders formulieren: Es lieben, ohne Kinder zu sein. Ob das den Begriff ausfüllt? Zu wenig habe ich mich damit beschäftigt, um darüber ein Urteil fällen zu können. Aber was ich weiß ist, dass wir alle nicht immer super gern und erfüllt Mutter sein müssen, sondern dass allein sein, die Sehnsucht nach meinem Selbst und nach Freiheit parallel zu dieser unendlichen Liebe stehen kann.

Und was ich auch weiß, ist, dass wir auf der einen Seite zu wenig darauf achten, dass wir als Frauen Momente, Stunden und Tage bekommen, in denen wir mal abschalten und nur mit uns selbst sein können und nicht dauernd unter Strom und in Verantwortung für die kleinen Lebewesen. Aber auch, dass Fürsorge und Kümmern etwas wunderbares ist, was uns geschenkt wurde.

Im Buch Mythos Mutterinstinkt wird die Muttertät beschrieben. So etwas wie die Pubertät für Mütter. Eine biologisch nachweisbare und über Jahre hinweg andauernde Phase der Entwicklung. Je mehr das weibliche Gehirn sich in der Schwangerschaft verändert, desto mehr springt das weibliche Belohnungssystem an. Dies erleichtert es Müttern, sich um das kleine Wesen zu kümmern. Warum diese Veränderung bei jeder Frau in unterschiedlichem Ausmaß stattfindet, ist noch nicht gänzlich erforscht.

Mütter werden wir im Laufe der Jahre und es braucht eine gewisse Akzeptanz, um diese tiefgreifende Veränderung die mit der Lebensumstellung einhergeht, zu akzeptieren und die neue Rolle einzunehmen, die auch manchmal sehr intensiv und unangenehm sein kann.

Unsere Kinder sind, weil wir sie hier wollten. Sie bringen Charaktereigenschaften mit, die uns formen, an unsere Grenzen bringen, wachsen lassen und begeistern. Sie sind auch ein Spiegel, ein Gedulds-Schuler und vor allem: Komplett abhängig von uns, unserer Liebe, unseren Ressourcen und unserer Erziehung. Wenn wir nicht auf uns selbst achten, können wir keine guten Eltern sein. Wenn wir keine Verantwortung für uns selbst übernehmen, werden wir das nicht gut hinbekommen. Und das ist eher als Entlastung gemeint und als Ermutigung, sich einfach mal bewusst rauszunehmen.

Die Kinder auch mal Sein zu lassen. Das unaufgeräumte Zimmer zu ignorieren. Und einfach noch mehr WC-Ente in die Toilette zu schütten, als zu meckern.

In diesem Juni ist meine innere To-Do Liste wie immer, riesig. Sie explodiert förmlich, vor allem in meinem Kopf. Und ich quetsche Marmelade kochen (weil ich mich im Herbst darüber freuen werde) und Kühlschrank auswischen dazwischen. Und trotzdem nehme und finde ich Zeit, für Buch lesen, Bridgerton schauen und mir ein paar Spiele der Fußball-EM anschauen. Ich will gern. Dieser Sommer 2024, er kommt nicht wieder. Dieser Sommer mit meinen Kindern, er wird schneller umgehen wie ein Wimpernschlag und ich genieße sie so sehr. Ich werde noch unendlich Zeit haben in meinem Leben. Aber dieser Sommer, diese ungeputzten Toiletten, diese Zeit mit meinen Kindern, sie kommt nicht wieder. Und ich wünsche mir so sehr, dass sich Friede in meinem Herz ausbreitet. Das ich loslassen und genießen kann. Das ich schon im Heute spüre, was mir im Morgen versprochen ist. Reich Gottes, mit all seiner Liebe, seiner Befreiung von dieser alltäglichen Last im Heute. Das ich Momente habe, in denen die To-Do Listen schweigen und ich weiß, dass ich niemandem irgendetwas beweisen muss. Das ich genießen kann, dass ich leben darf und im Heute sein kann.

Sarah Bessey schreibt, dass das Reich Gottes eine wunderbare Familie ist, die einander zuhört, laut spricht und dich in deinen schwächsten Momenten umso mehr liebt. Es ist Kunst und gemeinsames Schaffen; es ist Großzügigkeit und Fürsorge. Das Reich Gottes ist nicht in den Gewohnheiten dieser Welt zu finden, sondern in den kleinen und alltäglichen Momenten des Lebens.

Das Reich Gottes besteht auch darin, dass wir das Heil finden. Das gilt übrigens auch für all die schrecklichen Momente des Lebens. Die wiedergewonnene Schönheit der Nacht anstelle von schrecklichen Erinnerungen. Der Theologe N.T. Wright schreibt: „Die Auferstehung Jesu ist der Beginn von Gottes neuem Projekt, nicht um Menschen von der Erde in den Himmel zu bringen, sondern um die Erde mit dem Leben des Himmels zu besiedeln.“ (Wright, 2009, S.293) Im Reich Gottes wird es keine Tränen, Ungerechtigkeit oder Trauer mehr geben. Die Ausgegrenzten werden lachen und tanzen. In unserem Leben sollte es darum gehen, die Tränen von unseren Gesichtern abzuwischen und das Wasser des Lebens eimerweise aus dem Brunnen des Heils zu schöpfen, um den ausgetrockneten Boden zu bewässern und zu erneuern. „Frauen – Schwestern, Töchter, Mütter, Ehefrauen, Freundinnen – das Reich Gottes ist angebrochen. Gott ist euer Zuhause.“ (Bessey, 2024, p. 176) Bei ihm werden eure müden Seelen Ruhe finden. Bei ihm gibt es Heilung und Gerechtigkeit für Ungerechtigkeit. Bei ihm gibt es Würde und Anerkennung.

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert