Alltagsdinge
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Ein Stück heile Welt, bitte

Ich habe eine geheime Leidenschaft, von der bisher nur sehr wenige Menschen wissen. Sie ist mir ein wenig peinlich und lässt sich nur schwer mit meinen sonstigen Ansprüchen an Intellekt, Niveau und Tiefgang vereinbaren. Andererseits bin ich jetzt Mitte vierzig und denke mir immer öfter: Was soll´s. Das Leben ist zu kurz für falsche Scham. Ich stehe zu meinen Leidenschaften.

Deshalb kann ich auch ohne weitere Schamesröte zugeben, dass ich seit vielen Jahren ein Faible für die bayrische Fernsehserie „Dahoam is Dahoam!“ hab. Ja, hmm, ich weiß. Aber für mich haben diese kleinen Geschichten, die in einem fiktiven bayrischen Dorfidyll spielen, etwas ungemein Tröstliches. Dort haben all einander gern, und falls nicht, dann dauert der Zank nie länger als ein zwei Folgen. Überhaupt werden alle Unwägbarkeiten des Lebens recht schnell in Ordnung gebracht und ansonsten geliebt, gesorgt und gefeiert. Ähnlich beruhigende und heilende Auswirkungen haben nur die „Gilmore girls“, aber für die musste man sich noch nie schämen. Beiden Serien gemeinsam ist, die Darstellung von Familien- und Dorfgemeinschaft, von lustigen und schrägen Begebenheiten, einfachen Lösungen, zwischenmenschlicher Wärme und einem guten Ende, immer.

Unser zerbrechliches Leben

Im wirklichen Leben bin ich eigentlich eine vernünftige und bodenständige Person. Und doch trage ich in mir die tiefe Sehnsucht nach einem Stück heile Welt. Vielleicht gerade, weil ich genau weiß, dass unser Leben keiner Fernsehserie gleicht. Unser Leben ist zerbrechlich. Wir streiten und verstehen die Welt nicht mehr. Manche Beziehungen scheitern und es gibt kein versöhntes Miteinander, nie mehr. Ich sorge mich um meine Kinder und weiß genau, dass ich sie nicht vor allem beschützen kann.

 

Die Sehnsucht nach Idyll

 

So vieles passiert und lässt uns ratlos zurück. Für manche Probleme gibt es keine Lösung. Manche Geschichten gehen nicht gut aus, mancher Schmerz muss einfach ausgehalten und ertragen werden. Ein Teil von mir sehnt sich nach dem Idyll, nach Harmonie und frohen Menschen, nach einfachen Lösungen und einem happy end für alle. Das ist der Teil, der gerne bayrische Fernsehserien schaut und sich von den „Gilmore girls“ trösten lässt, wenn der Wind eisig bläst. Es ist wohl nichts verkehrtes daran, sich so einen Eisbecher für die Seele zu gönnen, eine kleine Pause, einen Ausflug in die heile Welt.

Der andere Teil in mir weiß die Vielschichtigkeit des Lebens nämlich durchaus zu schätzen. Die Gleichzeitigkeit der Dinge. Komplexe Handlungsstränge, die nicht nach 25 Minuten enden, sondern sich durchs ganze Leben ziehen. Wirklich einander lieben, wirklich aneinander leiden, wirklich füreinander da sein, auch wenn kein happy end in Sicht ist. Das Leben ist wunderbar und grausam, immer bunt und nie schwarz-weiß, hart und weich, gemeinsam und einsam. Lachen und Weinen. Und weil es das echte Leben ist, gerne auch alles auf einmal. Das ist mitunter anstrengend und nervenaufreibend, aber es ist echt, wahrhaftig und ehrlich. Anders möchte ich es nicht haben. Also schäme ich mich nicht mehr für meine kleinen Ausflüge in das bayrische Idyll, sondern stürze mich nach meinen kurzen Pausen beherzt zurück ins pralle, echte Leben.

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