Ich sitze am offenen Fenster an einem alten Holztisch, trinke lauwarmen Kaffee und starre in die Lavendelbüsche, die der belgische Vermieter vor sein französisches Ferienhaus gepflanzt hat. Könnte es denn noch idyllischer sein?
Es könnte, wenn mein Kopf sich nicht die ganze Zeit um schwere Gedanken kreisen würde, die mir auch im Urlaub keine Ruhe lassen.
Trennungen im Freundeskreis, Herausforderungen in der erweiterten Familie, meine aktuellen Buchprojekte und viel zu viele Deadlines und eine endlos lange To-do Liste, auf die ich nicht mal einen Blick werfen möchte.
Die Pandemie hat mich gelehrt, im Moment zu leben und keine weit vorausschauenden Pläne zu machen. Sie hat mir gezeigt, dass ich das Heute leben und all das kleine Glück genießen kann. Und das tue ich und genau das rettet mich durch die Stürme des Lebens, die in großen Krisen weltweit und in kleinen Krisen in meinem Umfeld sich anstauen und die ich nicht mehr gut verarbeiten kann. Weil es schlichtweg zu viele sind.
Normalerweise tanke ich auf im Urlaub. Ich lese. Ich pumpe Wissen, gutes Essen, Ruhe und Frieden in meine Adern und bin danach so aufgefüllt, dass ich wieder geben kann. Das ist dieses Jahr nicht so. Ich bin genauso leer oder voll wie vorher und meine Deadlines und Abgaben lassen mich vor Schreck wie ein Reh auf der Straße stehen bleiben, wenn es das heranrollende Auto kommen sieht. „Hast du schon oft gedacht, Priska, und es ging trotzdem immer gut“, spreche ich mir selbst zu. Und glaube es auch.
Mein lauwarmer Kaffee ist alle und ich fülle mir nach. Die großen Tassen sind im Geschirrspüler, es gibt nur noch kleine im Ferienhaus. Macht nichts, denke ich. Hauptsache Kaffee. Ich habe immer noch nichts geschrieben. Benehme mich wie eine dieser Autorinnen aus den Filmen. Mit Schreibkrise. Am liebsten möchte ich nicht mehr erwachsen sein, will mich verstecken vor der oft grauenhaften Welt und vor Themen wie Steuer, Unternehmensanmeldung und der ständigen Angst, nicht zu genügen. Die ich immer in einem Rucksack mit mir herum trage.
Und ja, die Päckchen drücken schwer momentan und sie lassen sich auch nicht weg kommunizieren. Sie sind da und wir müssen sie behutsam auspacken. Was wir ändern können, was ich ändern kann, ist, wie ich mit der aktuellen Realität umgehe und wie ich meine kleine Welt um mich herum verändere.
Ich kann weiterhin im Moment sein.
Ich kann dankbar für alles sein, was mir gegeben ist. Was unglaublich viel ist.
Ich kann dankbar sein für die Möglichkeit, gerade in Frankreich sein zu können.
Ich kann die Umstände nicht verändern, aber die Art und Weise, wie ich mit ihnen umgehe, so überlege ich. Ich versuche mir ins Bewusstsein zu rufen, wie gern ich schreibe und dass ich wirklich meinen Lebenstraum leben und Bücher schreiben darf! Mit dieser Haltung geht es doch gleich viel leichter. Ich mache mir bewusst, dass dies der schönste Ort der Welt sein muss, um den eigenen Laptop aufzuschlagen und dass vielleicht um mich herum Ehen zerbrechen, meine aber nicht. Und dass ich dafür unendlich dankbar bin.