Letzte Woche, ausgerechnet an einem müden Freitagabend, war ich für dreieinhalb Stunden ein Swiftie.
Falls du zufälligerweise selbst kein Swiftie sein solltest, noch nicht mal stundenweise, und womöglich keinen Schimmer hast, was das eigentlich ist, hier kommt die Erklärung: Swifties nennen sich die Fans von Taylor Swift, dieses US-amerikanischen Gesangsphänomen, das reihenweise die Stadien der Welt mit singenden, tanzenden und glitzernden jungen Menschen füllt, so sie denn eine der begehrten Eintrittskarten ergattern.
Ich weiß Bescheid, denn ich bin zufälligerweise Mutter einer swiftenden Teenagertochter. Ich gehöre nicht zu den Müttern, die ihre Töchter als „beste Freundinnen“ bezeichnen würde und das gilt wohl auch umgekehrt. Wir haben beste Freundinnen, mit denen wir nicht blutsverwandt sind und ich schätze diesen Umstand sehr. Es hat doch etwas für sich, dass meine Töchter sich an Gleichaltrige wenden können, wenn sie sich über mich ärgern, sich unverstanden fühlen oder ihnen der ganze Familienklüngel gründlich zum Hals raushängt, zumindest stundenweise.
Ich für meinen Teil möchte sie auch nicht mit Wechseljahrs- Beschwerden und der ein oder anderen Sinn und Seelenkrise behelligen, dafür braucht Frauen in ähnlicher Lage und ähnlichem Alter.
Nichtsdestotrotz gehöre ich aber zu den Müttern, die sehr an ihren Kindern hängen und gerne Zeit mit ihnen verbringen. Zeit, die Nähe bringt, Zugehörigkeit, Verbundenheit und liebevolle Anteilnahme. Früher nahm man das kleine Bündel Mensch auf den Schoß und las sich gemeinsam durch drei bis fünf Bilderbücher. Schaute zusammen einen Walt Disney Klassiker, malte ein Bild oder sammelte runde Kastanien vom Boden auf. Das genügte meist schon, um herrlich ins Schwatzen zu kommen, zu erfahren, was die Kinderseele bewegte, was gerade los war und was schon längstens wieder vergessen.
Fünfzehnjährige wollen meiner Erfahrung nach nicht mehr auf den Schoß genommen werden und Bilderbücher lesen. Manches jugendliche Kind stellt das Schwatzen von Zeit zu Zeit ganz ein, sucht und braucht Freiräume, will gehalten sein und doch frei. Heute sammle ich nur noch selten Kastanienschätze, aber dafür besondere Momente. Ich entwickle immer mehr ein Gespür für das Aufblitzen des richtigen Augenblicks, um rechtzeitig zur Stelle zu sein. Kaufe Kinokarten für einen dreieinhalbstündigen Taylor Swift- Marathon, stelle frei mitzukommen oder die Karte einer Freundin zu überlassen. Freue mich dann wie eine auserwählte Schneekönigin und schmeiße mich in die passenden Glitzerschuhe, weil es sich so gehört.
Aus diesem Grund kenne ich die Bundesligatabelle und bewerbe mich unermüdlich für Eintrittskarten, obwohl es nicht wirklich meiner Neigung entspricht. Stehe an Handballfeldern und höre Jazztrompete. Trage Teetassen und Kekse in Jugendzimmer, in denen ich brütende Lernende vermute, höre mir langatmige Serienzusammenfassungen an und alles, was Teenager so bewegt und sie willens sind mit mir zu teilen.
Es ist ein Invest, der sich immer auszahlt. Ich investiere in Nähe, Zugehörigkeit, Verbundenheit und liebevolle Anteilnahme, ganz wie früher. Ich investiere in Jugendseelen, in der Hoffnung, dass sie sich zwar manches Mal über mich ärgern, sich unverstanden fühle, ich ihnen von Zeit zu Zeit gründlich zum Hals raushänge und doch stets und immer wissen, ohne jeden Zweifel, dass sie geliebt sind, gesehen und geschätzt. Ich weiß, dass sich diese Investition immer lohnt.