Ich bin in Grünau. Eine Plattenbausiedlung am Rand von Leipzig. Zu DDR Zeiten hat man hier gern gelebt. Es waren die ersten Wohnungen ohne Kohleheizung. Ein absoluter Luxus. Inzwischen wirkt Grünau abgewohnt, düster und grau. Es ist sozialer Brennpunkt und nicht mehr begehrenswert, dort zu wohnen. Doch es ist kein sozialer Brennpunkt, wo man abends Angst haben muss. Normale Menschen leben dort. Es gibt Einkaufsmöglichkeiten, ein Schwimmbad, Schulen (sogar richtig gute Schulen wie die private Montessori Schule) und in der Nähe einen wunderschönen Badesee. Es ist also kein Wunder, dass sich mitten in Grünau eine Bruderschaft befindet. 5 Brüder leben hier gemeinsam und wollen ein Ort des Gebetes sein in einem nicht – christlichen Umfeld. Sie wollen nicht missionieren, sondern solidarisch leben und für die Menschen da sein, die hier wohnen. Ihre Bruderschaft, ihre Wohnung verstehen sie als Ort des Gebetes, der Nachbarschaft und der Freundschaft. 1x pro Woche treffen sie sich mit Menschen aus der Nachbarschaft zu einem kleinen Gottesdienst mit anschließendem Essen. Es sind vor allem aramäische Flüchtlinge, die zu diesen Treffen kommen.
Andreas Knapp ist einer der 5 Brüder. Brüder im katholischen Sinn. Brüder im geistlichen Sinn. Brüder sind also Mönche oder angehende Mönche. Priester. Andreas Knapp hat ein Buch veröffentlicht über die letzten Christen. Die Aramäer. Die letzten Menschen, die noch Jesu Sprache sprechen. Diese Gruppe ist nun vom Aussterben bedroht. Die Vorfahren der Aramäer und Armenier sind damals vor der Türkei nach Mossul geflohen. 200.00 Christen haben in Mossul gelebt. Spielball zwischen Sunniten und Schiiten. Dann kam der IS und die Christen mussten wieder fliehen. Diejenigen, die etwas Geld hatten flohen übers Mittelmeer nach Europa. Die anderen ins Kurdengebiet in Flüchtlingslager. Andreas Knapp besuchte die Menschen vor Ort im Irak und hörte schlimme Erfahrungsberichte und bewegende Geschichten. “Am meisten haben mich die Kinder betroffen. Die Sorgen der Eltern, was aus ihren Kindern wird”, so Bruder Andreas. Es gibt weder ein zurück, noch eine Zukunft für die vergessenen Christen in den Flüchtlingsgebieten. Werden sie jemals zurückkehren und in Frieden zwischen den muslimisch verfeindeten Lagern leben können? Sind sie die vergessenen Christen, um die wir uns nicht kümmern? Zumindest erscheint es den Menschen vor Ort so. Jahrzehntelange Alltagsdiskrimminierung haben ihre Spuren hinterlassen. Wenn du Christ warst, hast du den Job nicht bekommen. Wenn du Christ warst, warst du doch nicht so vertrauenswürdig wie man erst annahm. Die Flüchtlinge, die nun als Christen in Deutschland leben, seien dankbar, “dass sie frei leben können, ohne dass es eine Rolle spielt welcher Religion sie angehören”, macht Andreas die Erfahrung. Andreas hört sich die Geschichten der Flüchtlinge in Leipzig an und es ist ihm ein Anliegen, diese Geschichten zu erzählen und weiterzugeben. Sein Buch ist subjektiv und genau das will er auch erreichen. Gleichzeitig vertritt er eine ausgewogene politische Meinung und möchte, dass die Menschen anfangen, zuzuhören und als Gastgeber auf die hier ankommenden Menschen zuzugehen. Angst vor Neuem und diffuse Angst vor Flüchtlingen ist irrational. Oft haben wir Angst, weil wir etwas nicht kennen. Andreas möchte ermutigen, dass wir mehr auf Menschen zugehen und sie kennenlernen. Dafür gibt es viele niederschwellige Angebote wie Begegnungscafés, interkulturelle Wochen usw.
Andreas ist der Meinung, dass man den Islam nicht als Feind per se betrachten soll und es auch kein Anliegen sein kann, dass ein christlich geprägtes Land nur christliche Flüchtlinge aufnimmt. Das würde nicht unserem biblischen Wertebild entsprechen, bei dem jeder Mensch geliebt und achtenswert ist. “Es gab schon immer radikale Menschen und Terroristen und es wird immer Menschen geben, die in Opposition zur Gesellschaft leben wollen”, so Bruder Andreas. Der tolerante Islam wird jedoch immer mehr durch einen fundamentalistischen verdrängt. Das geschieht durch viel Geld und politische Verwicklungen. Es ist wichtig, dass wir den Blick für die einzelnen Menschen nicht verlieren und anfangen, zuzuhören.
Wer mehr von den frühen und letzten Christen wissen möchte, der kann das Buch hier erwerben. Es ist keine leichte Lektüre, aber eine ausgewogene. Andreas beschönigt nicht. Er kritisiert, er analysiert und findet dennoch einen gut gespannten Bogen, so dass man am Schluss des Buches eine politisch und persönlich gut analysierte Sichtweise präsentiert bekommt.